Reisen bildet. Und das habe ich in Yucatan erneut erfahren, denn hier wurde ich mit einem Begriff konfrontiert, den ich nie zuvor hörte, der aber in der Sprache der Mayas bis heute große Bedeutung hat: Cenote. Darunter versteht man ein Loch im Kalkstein, das durch den Einbruch einer Höhlendecke entstanden ist und einen darunterliegenden Fluss freilegt. Die Cenotes von Yucatan weisen auf das weltgrößte zusammenhängende Unterwasserhöhlensystem hin. Für die Entwicklung der Maya-Hochkultur haben die Cenotes als Trinkwasserreservoir eine bedeutende Rolle gespielt, denn Flüsse im herkömmlichen Sinn gibt es auf der gesamten Halbinsel nicht.
Mit kleinen Schritten wandern wir unserer jungen Mexikanerin hinterher. Wir befinden uns im privaten Park des ‚geheimen Flusses’, dem Rio Secreto. Durch eine Cenote steigen wir in die mit frischem, kühlen Wasser gefüllte Tropfsteinhöhle hinab. Wir sind gut ausgerüstet – mit Neoprenanzug, Schwimmweste, Füsslingen sowie einem Helm mit Stirnlampe. Unsere Gruppe besteht nur aus sechs Personen. So kann gewährleistet werden, dass wir uns nirgendwo am Stein festhalten oder gar einen Stalagmiten abbrechen. Auch die Kameras müssen oben bleiben, denn wir sollen uns auf unsere Schritte konzentrieren.
Rund 20 Meter unter der Erdoberfläche tut sich plötzlich ein riesiges und weitverzweigtes Höhlensystem auf. Dem Wissensstand von 2013 zufolge, beträgt die Gesamtlänge aller bisher erforschten Unterwasserhöhlensysteme im Bundesstaat Quintana Roo rund 1.100 Kilometer.
In den folgenden zwei Stunden waten wir im Gänsemarsch durch diese Wunderwelt und beleuchten mit unseren Lampen verborgene Tropfsteinformationen und dunkle Nischen, die noch viel tiefer in die Unterwelt hineinführen. Dazwischen müssen wir immer wieder Passagen durchschwimmen, weil das Wasser hier deutlich tiefer ist. Das köstlich frische Nass tut nach der brennenden Sonne an der Oberfläche gut. Die Zeit vergeht wie im Flug und viel zu schnell müssen wir diese Oase der Stille wieder verlassen.
Yucatans sensationelles Korallenriff
Kein geringerer als der Meeresforscher Jacques Yves Cousteau war an der touristischen Entwicklung am äußersten Zipfel der Halbinsel Yucatan mitbeteiligt. Er war es, der 1976 im Rahmen seiner weltweiten Forschungs-Expedition den Film über „Die Schlafenden Haie von Yucatan“ drehte und die Üppigkeit des Riffs beschrieb. „Das Belize Barrier-Riff mit seiner Länge von mehr als 200 Kilometern verläuft entlang der Küste von Quintana Roo bis Belize und ist nach dem Großen Barriere-Riff in Australien das zweitgrößte Korallenriff der Welt“, erklärt die Reiseleiterin Anja Pawlik, die selbst Taucherin ist.
„Cousteau beschrieb das Meer hier als großes Aquarium, weil es eine unglaubliche Artenvielfalt an Fischen, Weichtieren und Korallen gibt.“ Besonders angetan haben der Ex-Berlinerin die Walhaie, die man hier beobachten kann. „Quintana Roo war bis zur Gründung Cancúns in den 1970er Jahren der bevölkerungsärmste Bundesstaat Mexikos. Heute ist er derjenige mit der höchsten Einwohnerzuwachsrate“, erzählt Pawlik.
1984 lebten hier 304.000 Menschen, 2005 waren es bereits mehr als 1,1 Mio., mittlerweile sind es sogar mehr als 1,3 Mio. Zu den absoluten Boomtowns zählt mittlerweile aber nicht mehr Cancun, sondern der Touristenort Playa del Carmen, in dem 1970 gerade einmal 200 Fischer lebten. Heute wohnen hier 186.000 Menschen. „Das hat Playa del Carmen eine Eintrag in Guinness Buch der Rekorde als am schnellsten wachsende Stadt eingebracht.“
Tourismus als Chance auf Umweltschutz
Dass der Tourismus hier seine Spuren an der Landschaft hinterlassen hat, ist kein Zweifel. Während die Hotelbauten in Cancun wie eine überdimensionale Hochhauslandschaft wirkt, setzte man in der Umgebung der Riveria Maya, wie der Abschnitt hier auch genannt wird, auf weitläufige Anlangen am Meer.
Dabei hat man aber nicht den Fehler begangen, die schützenden Mangroven total zu roden, sondern sie in die Gesamtanlage miteinzubeziehen. Ein besonders interessantes All-Inclusive-Hotel ist das Sandos Caracol Eco Resort und Spa, das zwar sehr weitläufig ist, aber über große naturbelassene Abschnitte verfügt, in denen man zahlreichen wildlebenden Tieren wie Nasenbären, Agutis, Iguanas und sogar den scheuen Affen begegnen kann.
Wildhüter begleiten einem bei den Exkursionen durch den angeschlossenen Park. „Im Resort wird großer Wert auf Nachhaltigkeit und der Integration mit der Umwelt gelegt“, erklärt die Österreicherin Martina Mairhofer, die als Sales Manager der Sandos-Group tätig ist. Dass Tourismus auch in den entlegeneren Dörfern einen guten Schritt in Richtung Umweltschutz machen kann, glaubt Pawlik.
„Man darf nicht vergessen, dass die Menschen hier bis vor wenigen Jahren nur natürliche Produkte kannten. Seit es überall Plastikverpackungen gibt, gibt es auch ein Problem mit dem Abfall.“ Die Touristen legen aber großen Wert auf eine saubere Umwelt. Sehr deutlich wird dies bei den wunderschönen feinkörnigen Sandstränden um die Maya-Stadt Tulum, die sehr gepflegt und sauber sind. Auch das südlich von Tulum gelegene mehr als 5.000 Quadratkilometer große Biosphärenreservat Sian Ka’an, das zum UNESCO-Weltnaturerbe erhoben wurde, gilt aufgrund der Vielseitigkeit der unterschiedlichsten Habitate – vom tropischen Regenwald über Feuchtgebiete bis zum Korallenriff – als besonderes Reiseziel.
Mayastädte als Tourismus-Magnet
Wahrscheinlich ist keine andere Region Mexikos derart reich an Maya-Stätten wie die Halbinsel Yucatan. Immer noch liegen viele der Tempel von Bäumen überwuchert im Dschungel. „Auch wenn der Wald hier nicht sehr hoch ist, dicht ist der Bewuchs jedenfalls“, erklärt Pawlik. Mit Hilfe von Luftaufnahmen werden immer noch neue Tempelanlagen lokalisiert. Allerdings ist der Weg dorthin nicht ungefährlich, weil die Cenotes immer wieder einbrechen. Das unwegsame Gelände dürfte übrigens auch ein Grund dafür gewesen sein, dass die Region Quintana Roo so spärlich besiedelt war.
Die großen Sehenswürdigkeiten der Maya-Kultur sind die Handels- und Zeremonialstadt Cóba mit der 42 Meter hohen Gran Pirámide und die idyllisch am Meer gelegene Befestigungsanlage Tulum. Heute leben rund 6,1 Millionen Maya in Belize, Guatemala, Honduras und in den mexikanischen Staaten Chiapas, Tabasco und auf der Halbinsel Yucatan.
Xcaret-Park: Natur und Kultur als Spektakel
Um den Touristen die Vielschichtigkeit der Tradition und Kultur der Maya näher zu bringen, gibt es im Öko-Archäologie-Erlebnispark Xcaret täglich eine fast dreistündige Live- Performance zur Geschichte Mexikos – wobei der Maya-Hochkultur natürlich eine bedeutende Rolle zukommt.
Mit großem Eifer und riesigem Enthusiasmus wird hier ein Spektakel der Sonderklasse geboten. Trotz der nicht gerade günstigen Eintrittspreise erfreut sich der Park als echter Tourismusmagnet. Auch wenn das entbehrliche Delfin-Schwimmen hier immer noch als besonderes Highlight angeboten wird – das muss man übrigens noch einmal extra bezahlen – so überwiegt der ernsthafte Charakter der lebendigen Ausstellung, die vom großen offenen Zoo mit Schmetterlingshaus und Papageien-Nachzuchtprogramm bis hin zur lebendig dargestellten Geschichte der Trink-Schokolade alles bietet.
Natürlich darf auch das Bad in einem zumindest teilweise unterirdisch in Grotten verlaufenden Fluss nicht fehlen. Somit bekommt auch im Erlebnispark der „große Strom der Maya“ wie manche Forscher das weitverzweigte lebensspendende Höhlensystem nannten, seine Bedeutung.
Weitere Links:
Rio Secreto: www.riosecreto.com
Xcaret-Park: www.xcaret.com
Es gibt verschiedene Reiseveranstalter, die diese Destination anbieten – darunter auch einige, die mehr Wert auf Authentizität legen.